Atemarbeit


Die Atemarbeit und die Atemtherapie verbreiteten sich in den 1920er Jahren auch in der westlichen Kultur. Insbesondere ist hier das in diesen Jahren entstehende Interesse am bewussten Umgang mit dem Körper, u.a. mit gymnastischen Übungen zu nennen, die ihre Wirkkräfte erst mit der zunehmend klar einbezogenen Atembewegung, dem Ein- und dem Aus-Atem, entfalteten.

Als Pioniere der Atemarbeit in der westlichen Kultur sind Ilse Middendorf (1910-2009), Karlfried Graf Dürckheim (1896–1988) und Cornelis Veening (1885–1974) zu nennen. Diese wussten um die Kraft des Atems und erforschten diese auf Reisen, durch Meditation, Literatur-, Kunst- und Musikstudium.

In den asiatischen Kulturen beschäftigten sich besonders Nonnen und Mönche in ihren Klöstern über viele Jahrhunderte mit dem Atem in verschiedensten Meditationen. Ihre Erfahrungen wurden sowohl mündlich als schriftlich weitergegeben und wurden dadurch auch im Westen bekannt.

Wie bei nahezu allen therapeutischen Verfahren gibt es eine Vielzahl an Schulen, die verschiedene Strömungen vertreten. Die Atemarbeit, die ich anbiete, wurde durch ihren Mentor Lutz Becker (1922-2001) lediglich an eine kleine Schar von Interessenten weitergegeben.
Lutz Becker war aufgrund eigener Krankheitserfahrungen zum Institut von Ilse Middendorf gekommen und verließ dieses nach knapp 10 Jahren, nachdem er dort einige Jahre als Assistent gearbeitet hatte. Ihm war das dort gelehrte Verfahren zu technisch und es ging seines Erachtens an dem „eigentlichen Atem“ vorbei.

Er vermittelte, dass nicht der Behandelnde den Klienten therapiert, sondern der „Atem als solcher“ der Behandler ist. Dazu stellt der Behandler, die Behandlerin sich selbst, ihre Erfahrungen, durch ihre Hand, zur Verfügung und lässt geschehen. Mit der Hingabe an den „Atem als Meister“ entfaltet sich Beckers Erachtens nach die tatsächliche und reale momentane Befindlichkeit des Klienten in seiner Gesamt- und Ganzheit. Grenzen, die sich durch die Fokussierung bzw. Konzentration auf Gedanken, Gefühle und körperliche Sensationen, dadurch ergeben, dass unser Bewusstsein i.d.R. genau darauf schaut, sich dadurch „teilt“, dual denkt, führt dazu, dass die Gesamterfahrung enger wird, als sie eigentlich ist.

In der Atembehandlung bzw. in einer Atemgruppe besteht die Möglichkeit, durch die momentanen Erfahrungen von einer Art Gleichzeitigkeit, sowohl der körperlichen Sensationen, der Gefühle und der Gedanken, die engeren Grenzen zu „durchleuchten“, sie durchlässiger werden zu lassen. Mit der Erweiterung des Erfahrungshorizonts steigt die Freude am So-Sein, am Da-Sein. Verspannungen, die bis hin zu körperlichen Schmerzen reichen können, verändern sich und können sich lösen. Es entsteht eine natürlichere Balance zwischen aktivem Tun und passivem Geschehen lassen. Die Wirkung von Atembehandlungen hält i.d.R. bis zu drei Tagen an und verändert Tonus, Skelett und psychische Befindlichkeit.

Atemarbeit ist für Menschen, die in der Lage sind, sich körperlich berühren zu lassen: Es werden vor allem die großen Gelenke und andere Knochen des Skeletts, von Kopf bis zu den Füssen behandelt. Zum einen weitet der Atem den gesamten Körper, was u.a. und oft als erster Eindruck eine entspannende Wirkung hat. Zugleich wird nach und nach die eigene Körperlichkeit bewusster und das Selbstverständnis für die Bedürfnisse und die Befindlichkeit des Körpers klarer und unmittelbarer. Das heißt, dass das Empfinden für den eigenen Körper in seiner Gesamtheit, sowohl im seelisch- geistigen als auch im körperlich-materiellen Bereich sich gleichsam entwickelt.



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